Projektionen in der Panoramafotografie

Damit der ganze Raum, der uns beim Fotografieren umgibt, abgebildet werden kann, bedient man sich eines geometrischen Hilfsmittels: der Projektion.

Als »Projektion« bezeichnet man in der Panoramafotografie eine Formateigenschaft, die beschreibt, mit welcher optisch-geometrischen Berechnung die reale dreidimensionale 360°-Szene auf eine zweidimensionale Bildebene abgebildet wird. Verschiedene Projektionsarten sind speziell für die Panoramafotografie von Bedeutung, auf die ich kurz eingehen möchte. 

Die Projektionsart des segmentell aufgenommenen Panoramas wird vor dem Stitch-Prozess festgelegt. Das fertig gestitchte Panorama kann auch in seiner Gesamtheit später noch mal mit einer neuen Projektionsart umprojiziert werden. Die Projektionsart bestimmt den maximalen Bildwinkel und den perspektivischen Gesamteindruck des zweidimensionalen Panoramafotos.

Rektilineare Projektion

Die rektilineare (geradlinige, zentralperspektivische) Projektion oder Flächenprojektion ist uns aus der herkömmlichen Fotografie mit normalen Objektiven (außer Fischaugen-Objektiven) wohlbekannt. Der horizontale und vertikale Bildwinkel (»Field of View – FOV«) reicht hierbei bis zu 120°. Alle geraden Linien werden im Bild auch gerade abgebildet. Eine Vergrößerung des Bildwinkels hat unnatürlich wirkende Verzerrungen in den Randbereichen des Bildes zur Folge. Ein Panorama-Viewer, also die Betrachtungssoftware (bzw. das Browser-Plug-In) für interaktive Panoramen im Web, zeigt meistens nur einen Ausschnitt der ganzen Rundumsicht in einem Fenster. Innerhalb der interaktiven Anwendung bedient der Viewer sich ebenfalls der rektilinearen Projektion.

Das im Fenster der Computeranwendung angezeigte Teilbild des interaktiven 360°-Panoramas entspricht also unserer üblichen Sehweise in Bezug auf Fotografien. Für die VR-Fotografie sind alle anderen Projektionsarten also nur als Zwischenergebnis im Arbeitsprozess von Bedeutung. Die klassische Panoramafotografie zielt auf die gedruckte Präsentation des Panoramas ab. Hier spielt die zylindrische Projektion eine wichtige Rolle.

Zylindrische Projektion

Bei der zylindrischen Projektion wird die reale Umgebung rundum auf die Innenfläche eines Zylinders abgebildet. Der Betrachter steht, wie in einer Rotunde, in der Mitte eines Zylinders. Horizontale Linien werden dabei – bis auf die Horizontlinie – gekrümmt dargestellt. Bei Landschaftsaufnahmen ist diese Eigenart jedoch nicht so evident. Vertikale Linien bleiben auch im Bild vertikal, wenn die Kamera in der Waage ist.

Meine alte russische Horizont-Kamera, die mit ihrer Schwinglinse einen horizontalen Bildwinkel von 120° erfasst, erzeugt beispielsweise eine zylindrisches Panoramabild. Der Film liegt gekrümmt auf einer Zylinderteilfläche, das 28-mm-Fixfokusobjektiv dreht sich während der Aufnahme in seinem optischen Mittelpunkt auf einem Kreisbogen, so dass der bildseitige Fokus während des Drehens konstant bleibt und ein scharfes Panoramabild entstehen kann.

Zylindrisch projizierte Panoramafotos für die Ausbelichtung sehen oft natürlicher aus als mit der equirektangularen Projektionsart abgebildete. Der vertikale Bildwinkel sollte aber unter 120° bleiben, da sonst die oberen und unteren Randbereiche unnatürlich verzerrt wirken.

Die in der Panoramafotografie etwas unbekanntere Mercator-Projektion ist der zylindrischen Projektion ähnlich, verzerrt aber bei größeren vertikalen Winkeln nicht so stark und bietet sich ab einem vertikalen Winkel von 90° an.

Sphärische Projektionen

Ziel der sphärischen Projektion ist die Abbildung einer Kugel auf eine Fläche. Für die VR-Panoramafotografie von Bedeutung ist hierbei die komplette Abbildung des Raums um die Kamera herum, also 360° horizontal, 90° vertikal nach oben und 90° vertikal nach unten (= 180° vertikal komplett). Daraus leitet sich der Begriff »360° x 180°-Panorama« und das resultierende Bildseitenverhältnis von 2:1 ab.

Kugel-Projektion

Man stelle sich vor, man stehe im Zentrum einer hohlen, dünnen Kugel und ordne jedem (Gegenstands-)Punkt innerhalb der Kugel einen nächstgelegenen (Bild-)Punkt auf der Kugelinnenseite zu. Danach erzeuge man von dieser Kugeloberfläche, auf der ein Bild entstanden ist, eine zweidimensionale Fläche (Projektion), indem die Kugel so aufgeschnitten wird:

Legte man diese Fläche nun flach auf den Boden hin und würde die lückenhaften Bereiche durch imaginäres horizontales Ziehen verbinden, so erhielte man ein equirektangulares Panoramabild. Die oberen und unteren Randbereiche (an den Polen der Kugel) mussten also hier weiter zusammengezogen werden. Daher ist die Verzerrung dort am größten. Ähnlich funktioniert auch die Weltkartenprojektion der Erdkugel: Arktis und Antarktis sind oben und unten weit horizontal auseinander gezogen.

Der Ausdruck »equirektangular«, also »winkeltreu«, kommt daher, dass die Winkel dreier Punkte zueinander auf der Projektionsfläche denen derer auf der Kugel vor der Projektion entsprechen.

Kubus-Projektion

Kubische Panoramen (»Würfelpanoramen«) decken ebenso wie Kugelpanoramen den kompletten 360°-Winkel horizontal und 180° vertikal ab. Einen Unterschied in der finalen Player-Darstellung würde man nicht bemerken. Die Projektion leitet sich von der Vorstellung ab, die Betrachter befänden sich in einem Würfel und schauten von innen auf die Innenseiten desselben.

Die Würfelflächen, die als Zwischenprodukt nach dem Stitchen im Workflow zum VR-Panorama entstehen, sind von der Perspektive her wieder rektilinear (90° vertikal und 90° horizontaler Bildwinkel), gerade Linien in der Szene werden auch als gerade Linien abgebildet und so lassen sich die Würfelflächen leichter mit einem Bildbearbeitungsprogramm retuschieren, bevor schließlich das interaktive Panorama zusammengerechnet wird. Die kubische Projektion ist Grundlage der meisten sphärischen Panorama-Viewer.

Stereografische Projektion – Kleine Planeten

Bei der stereografischen Projektion wird der Bodenbereich eines equirektangularen Panoramas in den Bildmittelpunkt transferiert und der Himmelbereich kreisförmig um den Bodenbereich herum. Damit entstehen sogenannte »kleine Planeten«, die meist von Himmel umgeben sind.


Diese eigenwillige Planeten-Darstellung eines 360°-Panoramas kann auch als interaktives VR-Panorama online präsentiert werden.

Abbildung  »Little Planet« – das runde Panorama:

"Little Planet" bzw. Stereografische Projektion | De Uitkieker | 360° Panoramafotografie von Chris Witzani
„Little Planet“ bzw. Stereografische Projektion | De Uitkieker | 360° Panoramafotografie von Chris Witzani